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Die neue Unterkunft für Flüchtlinge an der Brodersenstraße 34 – „im Mai wird das Gebäude zum Bezug übergeben“, so Gerhard Mayer, Leiter des Amts für Wohnen und Migration im Sozialreferat – sorgte jetzt für mächtig Dissonanzen. Denn: Die „Errichtung einer temporären Gemeinschaftsunterkunft für 152 Flüchtlinge“ soll um 72 auf 224 Bettplätze erhöht (nicht ausgebaut!) werden. Mit dieser Angabe hatte Mayer kurz vor Beginn der März-Tagung des Kommunalparlaments die Lokalpolitiker überrascht, ja geradezu brüskiert.

Die Stadtteilvertreter hatten folglich eine kurzfristige Stellungnahme abgelehnt und stattdessen eine „außerordentliche Sitzung“ vereinbart, um auch den Bürgern Gelegenheit zur Einschätzung und zu Nachfragen zu ermöglichen. Besuch von „mindestens 100 Anwohnern“ hatte ein Mitglied es Bogenhauser Gremiums geschätzt. Weit gefehlt! Gerade mal ein Dutzend Bogenhauser waren zur Tagung in die Aula des Wilhelm-Hausenstein-Gymnasiums an der Fideliostraße gekommen. Lag’s am Freitagabend-Termin, am Überdruss zum Asyl-Thema, an fehlenden Informationen? – Im Nachhinein nicht mehr zu klären.

Zu klären gibt‘s in der Sache jede Menge Fragen, Details und juristische Aspekte. Das ist das Fazit von mehr als 20 Nachfragen und Forderungen der Mitglieder des Bezirksausschusses an Mayer und Vertreter zwei weiterer städtischer Referate. Die meisten Antworten waren verbunden mit einem „weiß nicht“ und „wenn-hätte-wäre-könnte“-Formulierungen.

Bezirksausschuss-Vorsitzender Florian Ring (CSU) eingangs nachdrücklich: „Wir reden über Menschen, die zu integrieren sind, es geht um eine gerechte Verteilung, Schul- und Kita-Plätze sind ein Problem, wir müssen die Sorgen von Anwohnern ernst nehmen.

Eine „gerechte Verteilung, alternative Standorte in München“ mahnte Peggy Schön (CSU) erneut an. Denn Fakt ist, dass in Bogenhausen stadtweit die meisten Flüchtlinge untergebracht sind – fast 3000. In anderen Stadtbezirken wie in Obergiesing-Fasangarten: Null! Mayer, einmal mehr grundsätzlich: „Wir sind ständig auf der Suche.“

Wissenswerter Hintergrund zu all dem vom November 2023: Unter Voraussetzung, dass der Standort Eggenfeldener Straße mit rund 150 Plätzen realisiert wird, was in Folge verworfen wurde und im inzwischen eröffneten Gebäudeblock an der Regina-Ullmann-Straße 140 Plätze geschaffen wurden, hatte Mayer damals zugesagt: „Dann werden keine weiteren Plätze in Bogenhausen mehr angestrebt!“

Zurück zur Brodersenstraße 34: Der Plan des Sozialreferats ist eben wie eingangs erläutert die Erhöhung der Bettenzahl. So sollen Zwei-Bett-Zimmer kurzerhand in Drei-Bett-Zimmer „verwandelt“ werden. Das wären dann drei Personen auf etwa 14 Quadratmeter. „Das ist doch wahnsinnig eng“, hatte ein Stadtteilvertreter bereits früher geurteilt.

Die neue Unterkunft für Flüchtlinge an der Brodersenstraße 34 soll im Mai eröffnet, die Zahl der Plätze von 152 auf 224 durch „Umwandlung“ von Zwei-Bett- in Drei-Bett-Zimmer erhöht werden. Anlass für den Bezirksausschuss für eine Sondersitzung – die Lokalpolitiker lehnten den Plan des Sozialreferats ab.     Fotos: hgb

Bei der jetzt erfolgten Kreuz-und-quer-Beurteilung dieser Quadratmeter-Zahl samt versetzbaren Wänden (nicht möglich), ausreichend Sanitär-, Küchen- und Aufenthaltsräumen sowie auch Freiflächen, bezeichnete Marko Poggenpohl (SPD) „224“ als Wort-Case-Szenario, „als Käfighaltung“. Mayer meinte: „Klar, das ist nicht super. Aber grundsätzlich reichen 14 Quadratmeter aus. Wir stellen jetzt schon drei Betten rein, denn eine Nachrüstung ist schwierig.“ Gunda Kraus (Grüne) befürchtet: „Käfighaltung – da gibt es ganz schnell Konflikte.“

Stadtrat Jens Luther (CSU): „Die Erhöhung auf 224 Plätze ist wirklich keine gute Idee. Sein Vorschlag: „Keine Erhöhung, bis nicht alles geklärt ist.“ Zu dieser Aussage formulierte Samuel Moser, (Grüne) einen Text, aus dem dann – gemeinsam „geschliffen“ mit Luther – ein Antrag wurde. Der einstimmig gefasste Beschluss des Kommunalparlaments im Wortlaut (ohne Kürzungen):

„Der Bezirksausschuss fordert das Sozialreferat auf, schnellstmöglich mit der Bahn (Anm. d. Red.: laut Mayer „ist das Grundstück städtisch und bleibt städtisch, die Bahn hat ein Zugriffsrecht zur Nutzung der Vorbehaltsfläche für eine Baustelleneinrichtung“) mit der Regierung von Oberbayern zu klären, ob die verkürzte Nutzungsdauer bis 2030 feststeht oder ob sie wie ursprünglich beschlossen bis 2032 erfolgen kann, und wie und in welcher Höhe die Förderung seitens der Regierung von Oberbayern für die Unterkunft gewährleistet werden kann.

Grundsätzlich sieht der Bezirksausschuss die zusätzliche Anzahl von Geflüchteten aufgrund des engen Raums für menschlich kaum zumutbar, da auch kaum Aufenthaltsflächen geplant wurden. Bei einer Erhöhung der Plätze müssen mehr Familien in der Unterkunft untergebracht werden, da nur so in den kleinen Zimmern eine weitere Person geduldet werden kann. In diesem Kontext hat der Bezirksausschuss große Zweifel, wie bei einer Erhöhung der Plätze die Schul- und Kita-Versorgung garantiert werden kann.

Der Bezirksausschuss fordert die Landeshauptstadt dazu auf, mit der Bahn eine längere Nutzungsdauer zu verhandeln und gegebenenfalls finanzielle Erstattungen durch den Entfall der Förderung durch die Regierung von Oberbayern einzufordern. Solange die Nutzungsdauer nicht endgültig feststeht, kann der Bezirksausschuss einer Erhöhung der Bettplätze nicht zustimmen.“