26.06.2015

Die Zahlen schockieren: 800 000 Tonnen Steinkohle pro Jahr, also 2400 Tonnen am Tag oder 100 Tonnen pro Stunde. Diese irre Menge Brennstoff wird im Block II im Heizkraftwerk (HKW) München Nord verfeuert, um Elektrizität sowie Fernwärme für rund 150 000 Haushalte zu erzeugen. In den Böcken I und III wird seit 1992 bzw. 1983 Restmüll verbrannt – jährlich mehr als 700 000 Tonnen.

Bei der Verfeuerung der Steinkohle, die vorwiegend in den USA (!) gefördert und täglich von zwei bis drei Güterzügen angeliefert wird, fallen alljährlich mehr als 2,2 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) fallen an – mehr Gase als der gesamte Verkehr auf dem Mittleren Ring ausstößt. Und das noch 20 Jahre lang: Bis 2035 bleibt das HKW – wie geplant – am Netz.

Die Festschreibung hat unlängst der Münchner Stadtrat mit den Stimmen von CSU und SPD beschlossen. Denn für die Stadtwerke München (SWM) ist das Heizkraftwerk quasi eine Gelddruck­maschine, die auch den Ausbau erneuerbaren Energien finanziell absichert und vorantreibt – zu Lasten der im Umkreis lebenden Menschen.

Das HKW Nord, das am Rand des Bogenhauser Stadtteils Oberföhring auf Flur der benachbarten Gemeinde Unterföhring liegt, ist mit seinen Emissionen einer der größten Luftverpester Münchens. Der geschätzte Anteil beträgt knapp 20 Prozent. Im Nordosten der Stadt, im Bezirksausschuss Bogenhausen, in den Kommunalparlamenten von Unterföhring und Ismaning, ist man darob mehr als nur erzürnt, ja regelrecht zornig. Und zwar über sämtliche Parteigrenzen hinweg.

Lokalpolitiker von CSU, SPD und Grünen fordern seit Langem und immer wieder die Umstellung von Steinkohle- auf die ein wenig teuere Erdgasbefeuerung. Laut Robert Brannekämper (CSU), Bezirksausschuss-Vize-Vorsitzender und Landtagsabgeordneter, könnte so, durch eine einzige Maßnahme, der CO2-Ausstoß nahezu halbiert werden.

Das HKW Nord, am Rand des Bogenhauser Stadtteils Oberföhring auf Flur der benachbarten Gemeinde Unterföhring gelegen, ist mit seinen Emissionen einer der größten Luftverpester Münchens.   Foto: SWM
Das HKW Nord, am Rand des Bogenhauser Stadtteils Oberföhring auf Flur der benachbarten Gemeinde Unterföhring gelegen, ist mit seinen Emissionen einer der größten Luftverpester Münchens. Foto: SWM

Eine andere Option wäre gewesen: Das Heizkraftwerk Süd, das seit 2006 mit Gas betrieben wird und somit ökologischer ist, hätte hochgefahren werden können. Ein „Ausfall“ des nördlichen Gegen­stücks wäre größtenteils kompensiert worden.

Doch um die Fernewärmeversorgung zu gewähr­leisten, hätte ein neues Heizkraftwerk gebaut werden müssen. Die dazu notwendigen Investitionen wollte der Stadtrat den Stadtwerken aber nicht aufbürden, weil sie eben zu Lasten des Ausbaus der regenerativen Energien gegangen wären. Kurzum: zu viele Hätte, Wenns und Aber.

Die Ausstiegszenarien fürs HKW Nord haben die Stadtwerke und das „Öko-Institut“ in einer Studie untersucht. Es wurde grundsätzlich davon abgeraten, den Block II (vorzeitig) stillzulegen, weil das „weder energie- und umweltpolitisch noch wirtschaftlich zielführend“ sei, „deutliche betriebswirt­schaftliche Nachteile“ habe und zudem „unverhältnismäßig teuer“ sei.

Die nackten Zahlen hinter diesen Erklärungskonstruktionen: Würde das HKW 2020 vom Netz genommen, büßten die Stadtwerke 340 bis 600 Millionen Euro Einnahmen ein. Bei einer Stilllegung in zehn Jahren, also 2025, wären’s zwischen 180 und 380 Millionen Euro, im Jahr 2030 läge der finanzielle Verzicht zwischen 55 und 170 Millionen Euro.

All dies kommentierte Brannekämper: „Der Ausstieg aus der Kohleverbrennung kann nicht 20 Jahre warten, er muss sofort angegangen werden. Es ist doch absurd, dass die SWM in Spanien und Großbritannien klimafreundliche Kraftwerke bauen, aber in ihrer Heimatstadt weiter auf den Klimakiller Kohle setzt.“ Unverständlich für den Politiker ist zudem, dass bei der Stadtverwaltung Verkehrs reduzierende Maßnahmen für Personenwagen zur CO2-Einsparung „auf der Tagesordnung sind, während im HKW Nord tagtäglich munter Kohle weiter verheizt wird.“

Die Zeche zahlt … Eben alles eine Frage der Kohle.