Es ist an und für sich paradox, könnte aber die Lösung des Gymnasiumsproblems in Bogenhausen sein: Weil die Pavillonkosten für eine dreijährige Auslagerung aller Klassen zwecks Sanierung des Wilhelm-Hausenstein-Gymnasiums (WHG) an der Elektrastraße extrem hoch sind, könnte im Stadt­bezirk in etwa sechs Jahren ein neues, zweites Gymnasium stehen, in das die WHG-Jugendlichen dann komplett umziehen. Der 45 Jahre alte Trakt im Arabellapark könnte danach saniert werden und dann als zweite Schule dienen. Der von der Stadt, dem Bezirksausschuss, der Schulleitung und von den Eltern favorisierte Standort für das neue WHG: am Salzsenderweg im Fideliopark.

Der Hintergrund: Seit 2007 soll das marode WHG-Bestandsgebäude modernisiert werden. Aber trotz diverser Planungen samt Beschlüssen ist bis dato nichts geschehen. Seit Jahren ist das Gymnasium hoffnungslos überfüllt. Konzipiert für 900 Jugendliche, wird es derzeit von rund 1300 Schülern besucht. Um den Schulbetrieb aufrechterhalten zu können, wurde auf dem Hof eigens ein zweistöckiger Containerblock mit vier Klassenräumen errichtet.

An der Raumnot änderte sich auch nichts, als Mitte 2013 ein Erweiterungsbau mit sieben Klassen­zimmern bezogen wurde. Dazu hatte Direktor Wolfgang Hansjakob im Kommunalparlament erklärt: „Bei einer Klassenstärke von 30 kommen dort 210 Schüler unter, wir liegen aber 400 über Soll.“ Deshalb hatte Hansjakob im vergangenen September erstmals Schüler abweisen müssen. Ansons­ten hätte eine achte Eingangsklasse gebildet werden müssen.

Das jahrelange Hickhack um das richtige Konzept und den Umfang der Maßnahmen artete zu einer Art unendlichen Geschichte aus. Noch vor neun Monaten hatte Christina Warta, Pressesprecherin des Referats für Bildung und Sport (RBS), vor dem Hintergrund eines Stadtratsbeschlusses erläutert: „Die Sanierung erfolgt nach Auszug der Schule ab Anfang/Mitte 2018. 2017 sollen die Pavillons auf dem Sportareal aufgestellt werden. Der Abschluss der Sanierung wird für Ende 2020 angestrebt.“ Und: Ein in Erwägung gezogener Neubau sei verworfen worden.

Die Wende: Vor einigen Wochen hatten Lokalpolitiker mit Münchens dritter Bürgermeisterin Chris­tine Strobl die Sachlage erörtert. Dabei wurde – kaum zu glauben, weil schon lange die Tendenz besteht – konstatiert: Die Preise für Pavillons durch den Bedarf für viele Schulen und auch für Asyl­bewerberunterkünfte steigen.

Die drei möglichen Standorte für einen Neubau des Wilhelm-Hausensteins-Gymnasiums. Visualisierungen/Pläne: Büro Krug Grossmann Architekten, Ges. von Architekten und Ingenieure
Die drei möglichen Standorte für einen Neubau des Wilhelm-Hausensteins-Gymnasiums.
Visualisierungen/Pläne: Büro Krug Grossmann Architekten, Ges. von Architekten und Ingenieure

„Die Preise sind regelrecht explodiert. Es wäre für drei Jahre ein sehr, sehr hoher Betrag, mehrere Millionen Euro“ angefallen, so Salome Benz, Direktorin im Baureferat. Auf Nachfrage wurde es „ein mehrstelliger Betrag im Millionenbereich.“

Nach Angabe von Angelika Pilz-Strasser, Vorsitzende des Bezirksausschusses, hatte Strobl bei der Vorbesprechung von einem „Millionenbetrag nicht im unteren Segment“ gesprochen. Die Kosten sollen angeblich fast ein Drittel der Aufwendungen für einen Neubau betragen.

Vor diesem Hintergrund entstand laut Benz der Gedanke, das Geld „lieber in ein Gelände zu stecken, in einen Bau zu investieren.“ Denn man hätte etwa 40 Container benötigt.

Ein Neubau: Für ein sechszügiges Gymnasium kalkuliert Benz mit etwa 2,5 Jahren Planung und 2,5 Jahren Bauzeit. Hinzu kommt es weiteres Jahr für Vorbereitungen und eventuellem Wettbe­werb. Summa summarum sechs Jahre. Möglicher Bezug also im Herbst 2022.

Ohne Kenntnis der „Vorbereitungsjahrs“ meinte WHG-Direktor Wolfgang Hansjakob: „Fünf Jahre sind noch drin, so lange halten wir’s am WHG wohl noch durch. Aber keine sieben Jahre.“ Hansja­kob selbst ist übrigens dann bereits einige Jahre in Pension. Kurzum: Zur Idee Neubau wurden ent­sprechend große Grundstücke gesucht und untersucht. Eine „Machbarkeitsstudie“, so Pilz-Strasser, „ergab drei Varianten. Wir stehen aber erst ganz am Anfang des Projekts“:

Standort Elektrastraße auf dem jetzigen Schulsportplatz:

WHG-Neubau (weißgraue Flächen) auf dem bestehenden Sportplatz entlang der Englschalkinger Straße (Gebäudelage ist ein Vorschlag).
WHG-Neubau (weißgraue Flächen) auf dem bestehenden Sportplatz entlang der Englschalkinger Straße (Gebäudelage ist ein Vorschlag).

„Diese Variante ist nicht optimal. Zum einen wären der Neubau und das Bestandsgebäude getrennt, zum zweiten sind Schallschutzmaß­nahmen entlang der neuen Rasenspielfläche wegen der unmittelbar angrenzenden Wohnbauten notwendig“, kommentierte Benz.

Also entlang der Elektra- und der Hugo-von-Hofmannsthal-Straße.

Massive Einwände von Anliegern wären programmiert. Positiv ist in der Untersuchung vermerkt: Sporthalle und Tiefgarage sind bereits vorhanden.

Die Besonderheit dieses Vorschlags: Die Neubaufläche ist im Bebauungsplan als Freisportfläche ausgewiesen. Mittelfristig bedeutet dies: nur ein Schulstandort im 13. Stadtbezirk.

Dazu Direktor Hansjakob: „Die Variante Elektrastraße fällt für mich weg, ja sie ist unsinnig. Alles würde zu eng, Probleme mit Nachbarn wären sicher. Bei einem anderen Standort würde man „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Bogenhausen bekäme ein zweites Gymnasium.“ Voraussetzung dafür ist die Zustimmung des Kultusministeriums. Und: Nach dem WHG-Umzug könnte das Bestandsgebäude laut Baureferat eventuell um eine Etage aufgestockt werden.

Standort Brodersenstraße östlich der Rudolf-Steiner-Schule:

Die Idee für den WHG-Neubau an der Brodersenstraße (Gebäudelage ist ein Vorschlag).
Neubau an der Brodersenstraße.

Vorteil dieser Variante ist eine mögliche „klare Organisation“.

Aber: Das Sportareal der Rudolf-Steiner-Schule, eine langfristig verpachtete Fläche im Besitz der Stadt, würde überbaut.

Das müsste zuerst verhandelt werden.

Weiterer Nachteil: Mehr als 2500 Jugendliche würden die Gegend bevölkern – „das gäbe jeden Tag eine gewaltige Schülerwanderung“, wie Hansjakob anmerkte.

Standort Salzsenderweg beim Spiel- und Begegnungszentrum (SBZ) im Fideliopark:
„Dieser Standort ist die sinnvollste Variante, unsere erste Präferenz. Sie ist zeitlich auch am schnellsten realisierbar“, erklärte RBS-Verwaltungsdirektor Hans-Jürgen Stein. Dem stimmte Hansjakob voll und ganz zu: „Das ist für uns, für die ganze Schulfamilie, die absolute Nummer eins. Das ist vernünftig. Dann kommt lange nichts. Im Grünen und dazu noch in einer verkehrsberuhigten Zone – etwas Besseres kann einer Schule gar nicht passieren.“ Lächelnd fügte er an: „Klimapark und Gymnasium, das ist auch für das Schulklima hervorragend.“

Benz hob hervor, dass dort eine „klare Organisation“ möglich sei. Für den Sportunterricht könnte die benachbarte, bis in vier Jahren neu hergestellte Bezirkssportanlage des FC Rot-Weiß Oberföhring genutzt werden. Und der Schwimmunterricht könnte in der Halle an der Sentastraße im künftigen Wohnquartier Prinz-Eugen-Park erfolgen.

Die favorisierte Variante für den WHG-Neubau (drei graue Flächen) am Salzsenderweg (Gebäudelage ist ein Vorschlag) im Fideliopark.
Die favorisierte Variante für den WHG-Neubau (drei graue Flächen) am Salzsenderweg (Gebäudelage ist ein Vorschlag) im Fideliopark.

Allerdings gibt es zwei – durchaus lösbare – Einschränkungen: Einmal müssten die Busanbindun­gen zur Knappertsbusch- und zur Fideliostraße verstärkt werden. Zum anderen wäre ein Eingriff in den geplanten, vom Bezirksausschuss beschlossenen Klimapark seitlich des SBZ notwendig. So müsste die Dirte-Bike-Anlage des Vereins Tretlager aufgelöst und ein Ersatzstandort gefunden werden. Letzteres monierte CSU-Lokalpolitikerin Petra Cockrell: „Es wurde nicht vorausschauend geplant, es wurde in eine planerische Sackgasse geplant.

Das ist außerordentlich bedauernswert. Die Jugendlichen vom Verein Tretlager haben jahrelang an dem Parcours gearbeitet, sind gerade fertig geworden. Wenn sie weg müssen, ist das traurig. Aus Fairnessgründen muss eine adäquates Lösung gefunden werden.“ Zum Ausgleich schlug Pilz-Strasser sogleich ein Grundstück im geplanten Wohngebiet östlich der S-Bahn-Linie vor.

Die Alternativen? Cockrell will von der Stadt wissen, „welche alternative Grundstücke im Gespräch“ waren. Paula Sippl von den Grünen brachte den Standort Stegmühl-/Ecke Savitsstraße, eine Vorbehaltsfläche für Schulzwecke, ins Spiel, hakte bei der Diskussion um den Salzsenderweg nach: „Gibt es wirklich keinen anderen Standort in der Nähe?“