20. Februar 2017

Nadelöhr mit Nadelöhr – das ist der Föhringer Ring mit der Herzog-Heinrich-Brücke über die Isar. Auf der wohl wichtigsten, mehr als zwei Kilometer langen Verkehrsader im Nordosten zwischen Bogenhausen, Unterföhring und Schwabing/Freimann bilden sich seit 20 Jahren stetig schier end­lose Autoschlangen, staut sich vor allem morgens und abends der Verkehr in beiden Richtungen. Für den seit 1998 immer wieder verschobenen Ausbau gibt es jetzt endlich eine Beschlussvorlage des Planungsreferats für den Stadtrat zur „schnellst möglichen Realisierung einer vierspurigen Fahrbahn samt Brückenneubau“.

Was „schnellst mögliche Realisierung“ bedeutet, wann alles fertig sein soll – das steht in den Sternen. Der Ausbau an und für sich ist für den Freistaat Bayern, zuständig für die behördlich bezeichnete Staatsstraße 2088, für die Stadt – auf ihrem Gebiet befinden sich 1,4 Kilometer – und die Gemeinde Unterföhring (knapp ein Kilometer Straße) unumstritten.

Wenn denn das liebe Geld nicht wäre. Vereinbarungen aus der Vergangenheit zwischen München und dem Freistaat lassen zähe finanzielle Verhandlungen erwarten. So steht in der Beschlussvor­lage fürs Rathaus: „Das Planungsreferat wird im Benehmen mit dem Baureferat an die Straßenbau­verwaltung des Freistaats als Baulastträgerin sowie die Gemeinde Unterföhring herantreten.“

Fakt ist: Aus finanziellen Erwägungen wurde trotz eines seit 2004 gültigen Planfeststellungsent­scheids das Vorhaben immer wieder verschoben. Zuletzt nach der gescheiterten Bewerbung Münchens für die olympischen Winterspiele 2018. Die Grünen im Stadtrat erachteten seinerzeit einen Ausbau für überflüssig.

Kurzum: Kein Politiker, kein Experte wagt eine Prognose, wie viel alles kosten, wann der Verkehr zügig fließen wird.

Die Mitglieder des Bezirksausschusses stimmten dem Entwurf bei zwei Gegenstimmen aus den Reihen der Grünen mit Ergänzungen zu: Vier Fahrbahnen zuzüglich mit mindestens einer Busspur – letzteres auch eine Anregung der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG).

Die neuralgischen Punkte auf dem Föhringer Ring: Die marode Heinrich-Herzog-Brücke (oberer Kreis), die nur mit Tempo 50 befahren werden darf, und die Verengung auf eine Spur am „langen“ Ende der Effnerstraße (unterer Kreis). Die Folge sind oft kilometerlange Rückstaus. Karte: Stadt München/OpenStreetMap
Die neuralgischen Punkte auf dem Föhringer Ring: Die marode Heinrich-Herzog-Brücke (oberer Kreis), die nur mit Tempo 50 befahren werden darf, und die Verengung auf eine Spur am „langen“ Ende der Effnerstraße (unterer Kreis). Die Folge sind oft kilometerlange Rückstaus.
Karte: Stadt München/OpenStreetMap

Besser wären nach Ansicht der Lokalpolitiker jedoch zuzüglich zwei Busspuren, was einen sechs­spurigen Ausbau bedeuten würde. Dann könnten nämlich in (ferner) Zukunft auch Gleise für eine Straßenbahnlinie eingerichtet werden. Das aber hatte das Planungsreferat in seiner Vorlage „nicht empfohlen“ ebenso wie eine „Reduzierung der geplanten vier Fahrspuren unter Reduzierung für den motorisierten Individualverkehr“.

Vor der Erörterung im Kommunalparlament überraschte Holger Machatschek (Grüne) mit einem kurzfristig gestellten Ergänzungsantrag. Der Stadtteilvertreter bescheinigte den Plänen eine „Leistungssteigerung ohne Zukunftsperspektive, führte zudem den Isarring samt geplanten Englischen-Garten-Tunnel an, argumentierte mit 40 000 Neubürgern durch den Wohnungsbau jenseits der S-Bahnlinie zum Flughafen.

Die zeitliche Einbringung der Initiative missfiel SPD-Verkehrsexperte Martin Tscheu: „So kurzfristig, das ist ein unsägliches Vorgehen.“ CSU-Fraktionssprecher Xaver Finkenzeller zum fachlichen Teil: „Das ist eine völlig neue Idee, die kein Mensch versteht. Das hat nichts mit dem Ausbau des Föhringer Rings zu tun.“

Klartext sprach Robert Brannekämper, stellvertretender Vorsitzender des Bezirksausschusses und CSU-Landtagsabgeordneter: „So einen unausgegorenen Mist habe ich schon lange nicht mehr ge­hört. Der Antrag ist ein verfrühter Aprilscherz, der gehört entsorgt.“ Genau das machte der Bezirks­ausschuss, schmetterte die Ergänzung gegen die fünf Grünen-Stimmen ab.

Hintergrund Verlauf und Nadelöhr Straße: Von Bogenhausen über die zweispurige Effnerstraße kommend wird die Fahrbahn in einer langen Linkskurve auf Höhe des Heizkraftwerks auf eine Spur verengt, bleibt auch dann auch auf einer Breite von elf Metern so bis Einfahrt in die Nürnberger Autobahn bzw. Abzweigung nach Schwabing/Freimann. In der Gegenrichtung werden zwei Spuren von der Ungererstraße ab Einmündung der Autobahnausfahrt auf einen Streifen verengt. Ab der Effnerstraße auf Höhe des Marktkaufs geht’s wieder zweispurig bis zum Effnerplatz weiter.

Gemäß einer Zählung des Planungsreferats im November 2014 wurden an der zentralen Stelle Herzog-Heinrich-Brücke binnen 24 Stunden rund 46 000 Fahrzeuge registriert, darunter etwa 2800 Lastwagen über 3,5 Tonnen. In den Stoßzeiten zwischen 7.15 und 8.15 sowie 17.15 und 18.15 Uhr sind’s jeweils 4000 Autos, wobei es „zu erheblichen Stauungen“ kommt.

Kalkuliert wird für 2030 nach einem vierspurigen Ausbau mit 75 000 Fahrzeugen auf der Brücke – eine Spitzenstundenbelastung von etwa 6500 Autos. Nicht berücksichtigt ist dabei jedoch das zusätzlich entstehende Verkehrsaufkommen durch die SEM, die Städtebauliche Entwicklungsmaß­nahme im Nordosten. Fazit der Experten: „Der Föhringer Ring ist heute überlastet und störanfällig.“

Hintergrund Flaschenhals Herzog-Heinrich-Brücke: Die 57 Jahre alte, rund 200 Meter lange Stahlkonstruktion ist verrostet, schlicht und einfach total marode. Es wurde schon erwogen, sie für schwere Lastwagen zu sperren. Manche meinen gar, dass ein Einsturz möglich ist. Anlass dafür ist ein Behördenvermerk: „Es besteht die Problematik des Versagens ohne Ankündigung.“

Die Brücke darf seit neun Jahren mit maximal 50 km/h überfahren werden, was vor allem zu Stoßzeiten eh illusorisch ist. Ein Neubau durch das Staatliche Bauamt Freising, zuständig für die Staatsstraße, ist geplant. Nächstes Jahr, 2018, könnte die etwa zwei Jahre dauernde Maßnahme beginnen. Ist dieser Übergang fertig, könnte das alte Bauwerk abgerissen werden. Und wird der Ring vierspurig ausgebaut, müsste eine zweite „identische Brücke“ errichtet werden.