Drei Punkte prägen das geplante Mammutprojekt Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) im Nordosten, wo auf einem mehr als 600 Hektar großen Areal entlang der S-Bahnlinie von und zum Flughafen, entlang von Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen, auf der grünen Wie­se Wohn- und Gewerberaum für 30 000 Bewohner und 10 000 Arbeitsplätze entstehen soll. Seit nun mehr 14 Jahren – 2008 hat der Stadtrat einen Beschluss für vorbereitende Untersuchungen gefasst – läuft ein Verfahren, das von einseitig, nämlich von der Stadt, verursachter Konfusion zeugt.

Stellvertretend dafür jüngst die Hammeraussagen von Michael Bacherl, Architekt im Planungsrefe­rat, beim >Digitalen Bürgerdialog zum Münchner Osten<: „Im März steht der Beschluss des Stadt­rats an. 2026 ist der Beginn der Bauleitplanung vorgesehen; erfahrungsgemäß dauert es circa fünf Jahre bis der Bebauungsplan steht. Ab 2030 / 31 könnten die ersten Baumaßnahmen erfolgen, ab 2035 wären dann die ersten Einzüge möglich.

Um die aktuelle Sachlage zu klären, zumindest aufzuhellen, hatten Robert Brannekämper, CSU-Landtagsabgeordneter für Bogenhausen, und Josef Schmid, ehemals zweiter Bürgermeister Münchens und Berichterstatter über die Ergebnisse der Petition Heimatboden und deren Behand­lung im Landtag, ein Pressegespräch organisiert mit den Heimatboden-Vertretern Johann Ober­franz und Martin Zech sowie Benno Ziegler, dem Rechtsanwalt der Bürgerinitiative. Zunächst zu den drei angeführten Punkten.

Wie steht’s um die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) im Nordosten, wo Wohnungen für 30 000 Menschen und 10 000 Arbeitsplätze entstehen sollen? Stellung bezogen (v. li.) Martin Zech und Johann Oberfranz von der Bürgerinitiative Heimatboden, Rechtsanwalt Benno Ziegler, CSU-Landtagsabgeordneter Robert Brannekämper und MdL Josef Schmid, Berichterstatter über die Ergebnisse der Petition im Landtag.    Foto: hgb

Punkt eins: Die maßlose Dreistigkeit der „Macher“ aus dem Planungsreferat, über Flächen in Pri­vatbesitz zu verfügen und darauf einfach mal Bauten zu basteln, basteln zu lassen, ist unglaub­lich. „Über deren Grund wird einfach so verfügt“, hatte sich unlängst ein Bürger geärgert.

Dazu muss man, so die Angaben der Stadt, wissen: besagte 600 Hektar bestehen aus 600 Flur­stücken. In Privatbesitz befinden sich 450 Hektar (350 Flurstücke), die sich unter 525 Eigentümern aufteilen. Der Stadt gehören 150 Hektar (250 Flurstücke einschließlich Straßengrundstücken). Das Gebiet ist eingerahmt von der Trasse der S 8, von den Grenzen zu den Landkreis-München-Ge­meinden Unterföhring und Aschheim sowie dem Lebermoosweg (ehemalige Gütergleis-Trasse) und der Riemer Straße.

Für die Umsetzung der Planung auf 75 Prozent der Grundstücke fehlt also die Grundlage. Verantwortlich ist dafür der erste Mann Münchens, SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter. Und der sagt nichts, geschweige denn, dass er sich (den Bürgern) stellt oder gar handelt.

Der Siegerentwurf für die SEM des Büros Rheinflügel Severin für die Variante mit 20 000 Bewohner (etwa 7100 Wohnungen). Realisiert werden soll gemäß Planungsreferats die Variante mit 30 000 Bewohnern (etwa 10 600 Wohnungen). Eine Visualisierung dazu gibt es nicht … Wie die wohl aussehen würde?    Plan: Rheinflügel Severin

Punkt zwei: Bei der Behandlung und im Bescheid der Petition – sie wurde von Oberfanz im April 2018 an Ministerpräsident Markus Söder übergeben, sie ist Ende September vergangenen Jahres „abgelaufen“ – wurden laut Schmid Fehler gemacht, es gab „falsche Interpretationen, es gab eine Verwirrung bei der Stadt über die Bedeutung einer Petition im Landtag.“

Entscheidend letztendlich: „Im Landtag wurde mit einer breiten Mehrheit von CSU, Freien Wählern und FDP gegen die Stimmen der SPD der Petition positiv zugestimmt. Die Ackerflächen sind somit Bauerwartungsland. Es gelten damit die Baulandpreise. Alles andere wäre Enteignung,“ erklärte Schmid. Und beim Preis komme es darauf an, was gebaut wird. Das reiche bis zu 1200 Euro bei gefördertem Wohnungsbau mit Mietwohnungen. Fürs Ackerland gebe es nur 30 bis 35 Euro pro Quadratmeter. Letzteres wollten und wollen die Grundeigentümer aber nicht akzeptieren. Falls notwendig wolle man eine Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichen.

„Auch die Finanzbehörden gehen von Bauland aus“, betonte Brannekämper, „denn die Besitzer mussten ihre Grundstücke entsprechend versteuern.“ Und Ziegler bemerkte zum Komplex „Das Planungsreferat hält sich nicht an das, was der Landtag entschieden hat. Das erwarte ich aber.“

April 2018: Petitionsübergabe an „MP“ Markus Söder durch Johann Oberfranz, dem Sprecher der Initiative Heimatboden Nordost zur SEM, zusammen mit Robert Brannekämper, CSU-Landtagsabgeordneter.     Foto: hgb

Punkt drei: Wie wird künftig die Bahntrasse entlang des SEM-Gebiets verlaufen – unter- oder ober­irdisch? „Es ist einfach schrecklich, was da seit Jahren mit dem Planungsreferat abläuft“, meinte Brannekämper kopfschüttelnd. Er bezog sich damit auf einen Bericht Ende Dezember in einer Mün­chner Tageszeitung, wonach es nicht mehr unbedingt notwendig sei, die Gleise unterirdisch zu füh­ren.

Brannekämper: „Es war immer klar, es war mehrheitlich klar, dass die Bahntrasse in einem Tunnel geführt wird. Das war und ist eine Grundvoraussetzung für die SEM. Erst bauen und dann schau‘ mer mal – wer so etwas plant, der sollte etwas anderes machen, aber keine Stadtplanung. Das ist einfach Schrott. Ein Versprechen wurde aufgekündigt.“ Schmid assistierte: „Der Tunnel ist unerläss­lich, es geht um Lärmschutz. Jedem war klar, dass das teuer wird, sehr teuer!“

„Die Bahn, die die oberirdische Variante bevorzugt, wird nicht warten, die Bahn wird im Zusammen­hang mit der Verbindung zum und vom Brenner-Basistunnel Fakten schaffen. Und dann werden Lärmschutzwände gebaut wie in Dachau – acht Meter hoch“, warnte Ziegler.

„Die Trasse würde alles zerschneiden, die Bürger würden getäuscht, der Vertrauensverlust wird eh immer größer“, ergänzte Oberfranz. Er machte zudem klar: „Die Enteignung läuft seit Jahren. Unser Vermögen wurde eingefroren. Das Ganze ist eine Katastrophe, eine Horrorvision.“

Brannekämper fordert vom Oberbürgermeister sofort für „Wahrheit und Klarheit zu sorgen“ Er und die Vertreter des Planungsreferats sollen sich bei „einem öffentlichen Termin erklären, was die Stadt machen will.“

Die Gretchenfrage „Muss sich München an den Petitionsentscheid halten?“ beantworte Anwalt Ziegler: „Wenn nicht wird die Regierung von Oberbayern als Aufsichtsbehörde angerufen, um die Stadt zu veranlassen, entsprechend zu handeln.“

Das wäre für Oberfranz ein Segen, die Lösung. Denn: „Ich bin Landwirt, ich will Landwirt bleiben! Und das in Daglfing!“