Der denkwürdige, einstimmig gefasste Beschluss des Stadtrats vom 28. Juni 2017 zur Wiederver­einigung des Englischen Gartens mit dem Planungsauftrag zu einem Tunnel am Isarring wur­de jetzt von Grün-Rot im Rathaus in die Tonne gestampft, eine Vision einfach zerschmettert: Die Planungen werden eingestellt! Robert Brannekämper, CSU-Landtagsabgeordneter und Mit­glied des Bogenhauser Bezirksausschusses, der das Vorhaben von Beginn an unterstützt hatte, kommentiert:

„Die Argumente der Regierungsfraktionen von Grün und Rot, die behaupten, es würde die Fällung von fast 900 Bäumen drohen, überzeugen nicht. Es wäre notwendig gewesen, differenziert darzustellen, für welche Maßnahmen wie viel Bäume gefällt werden müssen. Denn es ist noch immer unklar, wie viel Baumfällungen den Ausbau der Radwege, die Sanierung der John-F.-Kennedy-Brücke, sonstige bauliche Maßnahmen und den Tunnelbau unmittelbar betreffen. Man hat das ungute Gefühl, dass die Fällungen als K.o.-Kriterium verwendet wurden. Die Entscheidung ist eine rein politische Abwehrmaßnah­me. Von einer kommunalen Wahlbeamtin muss man mehr Fachlichkeit erwarten. Für die Baurefe­rentin wird es höchste Zeit für den Ruhestand.“

So hätte der Englische Garten mit Tunnel ausschauen können. Blickrichtung Arabellapark. Foto: Grub-Lejeune

Die Hintergründe • Laut Berechnungen des Baureferats im vergangenen Herbst samt einer „Nach­prüfung“ (!) müssten 890 Bäume mit einem Stammumfang von mehr als 80 Zentimeter gefällt wer­den. Angeblich wegen der „Logistik“ bei den Umleitungen des Verkehrs während des Baus. Gleich­wohl – diese Zahl ist mehr als zweifelhaft. Denn bei der Beratung der Kommunalpolitiker vor knapp fünf Jahren war die Rede von 550 großen Bäumen.

Das Architektenpaar Petra Lejeune und Hermann Grub, die vor mehr als zehn Jahren das Pro­jekt per Bürgerinitiative „Ein Englischer Garten“ angestoßen und en Detail entworfen hatten sowie – unter anderem von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) – als „als kleinste, aber erfolgreichste Bürgerinitiative Münchens“ gelobt und gefeiert wurden, kommen indes auf ein ganz anderes Ergeb­nis: nämlich 368 Bäume. Das Duo hatte zur Erfassung die Bayerische Schlösser- und Seenverwal­tung kontaktiert und auf Grundlage von Material der Schlösserverwaltung sowie durch eigene Zäh­lungen eine eigene Baumbilanz erstellt. Also: 522 Bäume weniger als das Baureferat bei der „Nachprüfung“ erfasst hat!

Die Differenz • Wie kann auf städtischer Seite ein Unterschied von 340 Bäumen binnen vier Jahre entstehen – 890 Bäume (Herbst 2021) minus 550 Bäume (Sommer 2017)? Unterschiedliche Erhe­bungsarten unterstellt, kann die Rechnung dennoch nicht mal im Ansatz passen. Die Lösung des Zahlenrätsels ist wohl einfach: Die Verwaltungsleute haben – zumindest zuletzt – einfach mal drauf los gezählt – von dünnen Bäumchen bis zu dicken Stämmen alles erfasst. Strich drunter. Summe. Fertig. Solch willkürliche“ Berechnungen“, besser einzuordnen in die Kategorie Schätzung, kennt man in Bogenhausen. Erinnert sei dabei an die peinliche Pannenserie bei den Planungen im Prinz-Eugen-Park.

Die Alternative Bäume können verpflanzt werden (Beispiel Anbau Klinik Bogenhausen an der Englschalkinger Straße), und zwar mit Rundspatenmaschinen, mit denen die Herausnahme und Sicherung eines ausreichend großen Wurzelballens, der Transport und das Einpflanzen in einem Arbeitsgang ausgeführt werden kann. Neue (vorübergehende) Plätze im Umkreis des Planungs­felds wären jedenfalls ausreichend vorhanden. Warum wurden Verpflanzungen vom Baureferat eigentlich nicht geprüft?

Die Kosten Der Tunnel war in greifbare Nähe gerückt, als der Freistaat eine Finanzzusage von 35 Millionen Euro für das auf 125 Millionen Euro geschätzte Projekt gegeben hatte. Ein weiterer Impuls war aus Berlin gekommen. Der Bund hatte das Vorhaben in das Förderprogramm „Nationale Pro­jekte des Städtebaus“ aufgenommen und 2,7 Millionen Euro für die Planungskosten übernommen.

Der Zeitplan Im Spätsommer 2019 hatte der Bauausschuss im Stadtrat die Vorlage beschlossen, mit den Arbeiten für die knapp 400 Meter lange Unterführung samt Sanierung der John-F.-Kennedy-Brücke (erstellt 1963) im Jahr 2023 zu beginnen. Man hatte gehofft, den Verkehr etwa ab Mitte 2027 – derzeit sind täglich mehr als 120 000 Autos auf diesem Abschnitt unterwegs, künftig sollen es laut Fachleuten bis zu 150 000 Fahrzeuge sein – unterirdisch zu führen. Und zwar in zwei ge­trennten Röhren, jeweils dreispurig, wobei der dritte Streifen an den Tunnelenden jeweils als Ein- beziehungsweise Ausfädelspur dienen sollte. Doch dann hatte das Baureferat die weiteren Planun­gen übernommen und im vergangenen Herbst 2021 besagte 890 zu fällende Bäume als Totschlag­argument angeführt.

Das Fazit Der Englische Garten, seit 1966 durch den Bau des Mittleren Rings (unter Alt-Oberbür­germeister Hans-Jochen Vogel) getrennt, bleibt zweigeteilt, bleibt eine Wunde. „Eine fatale Fehlent­scheidung“ urteilte CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl nach der Abstimmung im Stadtrat.